Arbeit lässt sich stets bezahlenDas übliche Entgelt für Arbeit ist ein fixer Lohn, variable Gratifikationen, Zuwendungen an die Personalvorsorge und viele weitere Vergünstigungen. Dazu gesellt sich der erfolgsabhängige Bonus. Letzterer wird oft auch Prämie genannt. Er ist den oberen Leitungsorganen einer Organisation als Vergütung vorbehalten. In der Fachliteratur wird der Bonus als Anreiz für besondere Leistungen aufgeführt. Jedes Land hat dazu unterschiedliche Rechtsgrundlagen. In der Schweiz regelt das Obligationenrecht (OR) den Arbeitsvertrag im zehnten Titel (Einzelarbeitsvertrag: Art. 319 – 343/besondere Einzelarbeitsverträge: Art. 344 – 355/Lohn: Art 322). Doch Boni und Prämien werden dort nicht definiert. Für vertragliche Sonderzahlungen zu bestimmten Zeitpunkten und Anlässen (z.B. Jahresende, Jubiläen, Diplomabschlüssen usw.) besteht im OR die Gratifikation. Alle erwähnten Abgeltungsmodi lassen sich bis zur Vertragsunterzeichnung aushandeln. Arbeitsabgeltungen ohne ObergrenzenArbeitsentgelt ist stets Gegenstand von Verhandlungen. Das Recht setzt in gewissen Fällen Unter- aber keine Obergrenzen. Es gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Allerdings müssen Prämien und Boni nicht voraus fixiert werden. Sie sind von der Einschätzung des Arbeitgebers abhängig. Umsatz, Gewinn usw. werden als Kriterien für Zielboni verwendet. Boni für persönliche Zielerreichungen können an Projektrealisierungen (Budgeteinhaltung, Realisierungszeitpunkt usw.) geknüpft werden. In der Rechtslehre wird auch von der Akzessorietät, also der Abhängigkeit eines bestehenden Rechts von einem anderen Recht gesprochen. So soll z.B. eine Gratifikation nicht die Hauptvergütung, sondern nur der Zusatzverdienst darstellen. Letzteres lässt sich jedoch auf Grund der Rangliste der Chefsaläre in der Schweiz nicht eruieren. Die Unternehmen veröffentlichen meist nur die Abgeltungszahlen zusammen mit weiteren Vergütungen in einem Betrag. Positive Aspekte von BonisBWL und besonders HR-Fachartikel setzen Bonisysteme mehrheitlich in ein positives Licht. Zuerst wird das Argument «Sicherstellung, dass das Management die von den Geldgebern vorgegebenen finanziellen Ziele verfolgt» angegeben. Dabei stellt der Share holder mit seinem Wunsch, möglichst viel Dividende zu erhalten, und der damit zusammenhängenden Kontrollfunktion eines der wichtigsten Motive dar. Weiter wird die mit Boni erzeugte Motivation beim Einsatz der obersten Leitungsorgane angeführt. Die Medien finden beide Punkte stets kommentarwürdig. Es gibt aber auch gewichtige negative AspekteVertreter aus Politik und Wirtschaft befassen sich eher selten mit den wirklich schwerverdaulichen Punkten der Unternehmenskultur. Ökonomie und Recht argumentieren deshalb gerne die Vorteile der Bonisysteme und deren Verträglichkeit mit wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten. Negative Punkte werden eher mit der Unternehmenskultur verbunden. Sie wird dann als gefährdet deklariert. Doch Wirtschaftende und Politiker und besonders das Publikum kennen Betriebskultur nur als abstrakten Begriff. Dabei verbinden sie diese mit Krisen- und anderen Erfahrungen; selten oder nie werden Facetten betrieblicher Kultur benannt. Diese Lücke versucht der Autor im Folgenden zu füllen. Wer und was schaffen BetriebskulturViele Manager sind heute auf Uni-Niveau geschult. Warum verursachen aber auch Absolventen renommierter Schulen unbefriedigende Betriebskulturen. Das mag damit zusammenhängen, dass Managen mehr mit Pragmatik, weniger mit Wissenschaft zu tun hat. Allerdings lässt sich Leitungstätigkeit vorzüglich auf zwei Ebenen, nämlich der Willensbildung und Willensdurchsetzung darstellen. Wobei das Erlebnis und die Qualität von Kommunikationsanlässen bei allen Protagonisten eine wichtige Rolle spielen. Obere Leitungsorgane konzentrieren sich gerne auf die Willensbildung und vernachlässigen die Willensdurchsetzung. Dabei wird das Fachwissen und -können, das Einfühlungsvermögen sowie die Überzeugungskraft und vor allem die Aktionsbegleitung gerne vernachlässigt. Zudem zeigen beim Bonusthema viele ein unschuldiges Gesicht. Gegner von Abgeltungsfragen im Boniformat werden schnell in die linke Politikecke gedrückt: Es lebe die freie Wirtschaft oder der Liberalismus! Die aktuellen Wirtschaftsgeschehnisse zeigen jedoch eines: Egoismus manifestiert sich überall, besonders bei Vergütungs- und Abgeltungsfragen. Er tritt stets in der Meute auf und versteckt sich nicht – wie viele behaupten - hinter einer Einzelmaske. Die Managementlehre zeigt dabei nur die Vorteile, nicht aber die Nachteile der Bonuskultur in Wirtschaft und Verwaltung. Deshalb folgen hier Argumente, welche die Wirtschaft und die Politik im Zusammenhang mit der Bonifrage stets ausblenden. Tatbestand 1 - Fehlerkultur: Leitungsorgane haben nicht nur willensbildende, sondern auch wichtige willensdurchsetzende Funktionen, nämlich Zielsetzungserfolg und Kontrolle. Dabei keine Fehler machen, hilft den Bonus sichern. Und das auch, wenn alle anderen im Betrieb und in der Kundschaft unter den Fehlern leiden. Common sens auf Managementebene ist oft ein rares «Gut». Deshalb steht Negatives oft nicht auf der Traktandenliste. Dagegen liefert Aktivismus neben Umsetzungskraft das betriebliche Lebenszeichen. Tatbestand 2 - Fehlanreize: Ökonomie will stets mit Anreizen das Verhalten beeinflussen. Was ist aber neben der geldwerten Transaktion weiter betrieblich-ökonomisch relevant? Zu den suggestiv repetierten Argumenten, wie «Boni gehören zu ausserordentlichen Führungsleistungen» und «das kann nur eine charismatische Persönlichkeit», gesellen sich auch Nachteile. Boni ohne kontrollierbare Vergleichsmöglichkeiten und Abgeltungen und einseitig und verdeckt zugestandene pekuniäre Vorteile sind nur einige davon. Somit können nur Blinde ein Bonussystem von der vorteilhaften Seite betrachten. Alle andern wenden sich automatisch auch der «dark side of bonisystems» zu. Tatbestand 3 - Wertschöpfungskette: Was bedeutet denn überhaupt Management? Führen von Menschen und Systemen in einem bestimmten Fachgebiet, womit über Produkte oder Dienstleistungen wirtschaftliche Bedürfnisse befriedigt werden und ein Ertrag zur Sicherung und Fortsetzung des Betriebs erzielt werden soll. Dabei sind es nicht die Leitungsorgane, welche die Wertschöpfung sichern. Ihnen obliegt nur die Initialisierungs- und dann die Entscheid- und Kontrollfunktion. Die Umsetzung und Ausführung sind Aufgaben der Mitarbeitenden. Wer das aber wissenschaftlich tun will und dabei einen Produktionsbetrieb über die beiden Ebenen wie eine Universität führt, ist in einer offenen Volkswirtschaft fehl am Platz. Das belegen vielerorts rasant wachsende Personaletats mit eigenartigen hierarchischen Strukturen und eine sinkende Rentabilität. In Wirtschaft, Politik und Verwaltung führt das praktisch automatisch zu einem beträchtlichen Effizienzmangel. Tatbestand 4 - Gruppendynamik: Verwaltungsrätinnen und Manager wissen genau, wie man erhält, was man will. Boni sind dafür ein vorzügliches Beispiel. Nie wird ein «Top shot» einen Bonus verlangen. Vielmehr wird er den Vertretern der obersten Leitungsorgane suggerieren, dafür eine Studie auszulösen. Die Frage lautet dann «Ist eine Bonus- und Anreizsystem notwendig»? Sicher ist, dass der Verwaltungsrat eine solche Abklärung veranlassen wird. Auch wenn er nur darauf hinweist, dass das andernorts auch üblich sei. Danach wird er durch Expertinnen und Berater sowie ein Abgeltungskomitee begleitet. Der Konsens für diese Aktion wird dadurch gesichert, dass die engere und erweiterte Entourage der Beglückten ebenfalls pekuniär profitiert. Exekutive Leute wissen auch genau, wie sie sich die Boni während und nach dem Rücktritt oder der Betriebsauflösung sichern können. Hier zeigt sich Gruppendynamik in seiner wirksamsten Form. Tatbestand 5 – «Good Governance»: Nehmen Sie den Sport als Beispiel: Der Kapitän einer Mannschaft nimmt nach dem Gewinn des Cups auch nicht den Pokal zu sich nach Hause. Das will nur zeigen, dass die oberen Leitungsorgane mit dem mittleren Management und den Mitarbeitenden zusammen die Leistung erbringen. Deshalb: Was haben Boni mit «Good Governance» zu tun? Ist es nicht wie mit Risiken im Management? Gute Betriebsführung tritt dort auf, wo sie nicht erwartet wird. Dazu gehört auch die Sicherheitskultur. Tatbestand 6 – the human factor: Alle, die von einer Bonikultur profitieren, argumentieren mit schwer definier-, quantifizier- und messbaren Punkten, wie Persönlichkeit (Charisma), besondere Führungsfähigkeit und - immer wieder – besonderen Umständen. Diese Tatbestände lassen sich – erstens – durch das üblicherweise wesentlich höhere Salärniveau sowie Privilegien dieser Führungsschicht relativieren. Warum braucht es dann noch Boni? Zweitens: Die Bonikultur geht nie auf die Frage ein, woraus echte Führungsautorität überhaupt besteht. Ob diese vorhanden ist, wird geflissentlich ausgeblendet. Doch korrekt angewandte deontische (fachliche), epistemische (persönliche) und sanktionsorientierte Autorität (z.B. über Führen mit Zielen) sind die kritischen Punkte. Das Fehlen entlarvt netzwerkbesetzte Positionen. Zudem: Leitungsorgane stehen nie freiwillig im Einsatz. Fehlende Praxis und ungenügendes funktionales Verständnis und eigennutzorientierter Einsatz lässt sich prüfen. Mankos werden aber nicht mit Abzügen kompensiert. Kandidatinnen< und Kandidaten für höhere Positionen tun also gut daran, ihre Funktion zu hinterfragen: Begleiten, Handreichen und Freiwilligeneinsätze in guten und schlechten Zeiten sind auch heute noch wichtige Aufgaben. Sie gehören zum Pflichtenheft von hoch positionierten und gut bezahlten Lohnempfängern. Boni braucht’s dafür nicht. Letztlich bleibt die Frage, ob die Bonifrage eine ökonomische oder eine moralische Angelegenheit sei. Gerne schieben die Befürworter die Argumente der Gegner auf die «moralische Drehbank». Solange die Politik nicht in der Lage ist, die heute herrschende exzessive Bonikultur über rechtliche Kriterien einzudämmen, wird sich das Problem in einer Cloud weiterbewegen. Zu viele Parlamentsmitglieder und Spindoktors profitieren davon, direkt und indirekt. Zudem werden in Betriebswirtschaft, Psychologie und Recht nur die positiven Punkte der Bonisysteme erforscht. Die Nachteile für die Betriebsorganisationen werden simpel externalisiert. Womit wir wieder – wie bei der TikTok Schlaufe – am Ausgangspunkt dieses Artikels und den sechs Tatbeständen wären. |